Mit der Industrialisierung Mitte des 19. Jahrhunderts – vorangetrieben durch den Anschluss an das preußische und sächsische Eisenbahnnetz – wurde in Görlitz die mittelalterliche Stadtanlage nach Süden und Westen hin durch gründerzeitliche Wohn- und Villenviertel erweitert. (Quelle: Wikipedia)
Und im Jahre 1919 beginnt mit dem Bestehen der Meisterprüfung für das Handwerk der Konditoren die Geschichte der Konditorfamilie Frenzel.
In Chemnitz startete Willy Frenzel (oben, Bildmitte rechts) seine berufliche Laufbahn zunächst als Konditorgehilfe in der Zeit 14. Oktober 1914 bis 25. Mai 1915 bei der Konditorei und Kaffeestube „Emil Freund & Nachfolger“. Der damalige Inhaber Carl Jentzsch führte das kleine Geschäft nach und nach zu einem erstklassigen und renommierten gastronomischen Unternehmen, das er 1929 in EFREUNA, Konditorei- und Kaffeehaus (ca. 400 Sitzplätze) umbenannte und heute noch ein beliebter Ort für Kaffeekränzchen in Chemnitz ist.
Im Mai 1915 folgte für Willy Frenzel die Einberufung zum Militär, er diente während des 1. Weltkriegs in Rumänien.
Mit dem Ende des 1. Weltkriegs kehrte er 1918 nach Chemnitz zurück, wo er im Dezember 1919 die Meisterprüfung für das Handwerk der Konditoren ablegte. Während dieser Zeit in Chemnitz lernte er auch Frau Jenny Donner (oben, Bildmitte links) aus Mühlau kennen und lieben, die er dann später heiratete.
Bild unten: Zeugnis des Konditorgehilfen Willy Frenzel. Das Bild darunter zeigt eine Postkarte mit dem Motiv der Konditorei und Kaffeestube „Emil Freund & Nachfolger“.
Bild unten: Willy Frenzel 1915, zu Beginn seines Militärdienstes. Einmal wurde er in der Zeit von einem Granatsplitter getroffen. Dieser schlug in seinem Tornister ein und blieb in der Bibel stecken, die er immer bei sich trug. Sie hat ihn vor Verletzung oder gar dem Tod bewahrt.
Ca. 1921 erwarb der Konditormeister Willy Frenzel ein Haus in der Görlitzer Schützenstraße (ca. 1910 erbaut) und übernahm das Café C. Leifer im Erdgeschoß.
Das Bild oben zeigt das Haus in der Schützenstraße eingerüstet – Datum und Grund der Baumaßnahme sind unbekannt, nach Fertigstellung zeigte sich die Fassade vereinfacht – Zierrat und Putz wurde teilweise entfernt – hinzugekommen ist der Schriftzug „Konditorei Frenzel“ (Bild unten).
Die Konditorei befand sich auf der rechten Seite des Gebäudes. Das Bild unten zeigt den Verkaufsraum, wobei sich links das Kaffee anschloß.
Das Bild oben zeigt den Verkaufsraum, links die Eingangstüre und rechts Frau Jenny Frenzel mit zwei Mitarbeiterinnen und rechts oben an der Wand hängt der Meisterbrief von Willy Frenzel. Bild unten – der Meisterbrief für das Handwerk der Konditoren.
Auf dem Bild oben ist vor der Eingangstüre stehend die langjährige Mitarbeiterin Fräulein Pfriem zu sehen, sie bestand darauf mit „Fräulein“ angesprochen zu werden. Das Ehepaar Frenzel wohnte im 1. Obergeschoß rechts, direkt über der Konditorei.
Hermann und Dietrich Donner bei einem ihrer zahlreichen Besuche in Görlitz auf dem Dachgarten des Hauses Schützenstraße im Jahre 1944.
Dietrich Donner als „Konditor“ im Innenhof des Hauses Schützenstraße in Görlitz.
Diese Aufnahme stammt ebenfalls aus Jahre 1944 und zeigt Konditormeister Willy Frenzel inmitten seines Teams im Hof des Hauses Schützenstraße. Rechts neben Willy Frenzel mit der Bäckermütze Günter Krause, der in den 1960iger Jahren seine Meisterprüfung ablegte und ebenfalls in der Schützenstraße wohnte. Links vorne Fräulein Pfriem und in der Mitte der junge Dietrich Donner.
1950 – Wolfram Donner umgeben von jungen Damen auf dem Schaufenstersims des Uhrmachermeisters Erich Schaaf in der Görlitzer Schützenstraße.
Der junge Wolfram Donner genießt am Abend nach dem Essen ein gutes Eis (ca. 1955).
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Konditormeister Willy Frenzel vor seinem Laden in der Görlitzer Schützenstraße (1957).
Blick vom 1. Obergeschoß des Vorderhauses Schützenstraße in Görlitz in den Innenhof. In der Bildmitte ist der Dachgarten, rechts das Balkonfenster – der Zugang zum Dachgarten zu sehen (August 2021).
Willy Frenzel auf dem Dachgarten seines Hauses Schützenstraße (oben) in Görlitz. Hier verbrachte er mit seiner Familie viele schöne Stunden während der warmen Jahreszeit (unten Ehepaar Frenzel 1963).
Bild oben – im Hintergrund ist rechts die Balkontür und links das Fenster zum Bad zu sehen. Bild unten – das Bad im August 2021.
Freundinnen im „Balkonraum“ des Hauses Schützenstraße 1963 (Bild oben). Der „Balkonraum“ im August 2020 (Bild unten).
Das Bild oben zeigt das Ehepaar Frenzel 1967 vor dem Haus Schützenstraße in Görlitz mit Frau Monika Donner und Tochter Ulrike. Im Hintergrund ist der Laden des Uhrmachers Erich Schaaf zu erkennen.
Konditormeister Willy Frenzel ist Anfang der 1960iger Jahre in den Ruhestand gegangen, und hat die Konditorei und das Kaffee an den Konditormeister Weustenfeld verpachtet. Danach hatte er mehr Zeit um sich um seine Familie zu kümmern – auf dem Bild oben begießt er 1967 die junge Kathrin Donner auf dem Dachgarten seines Hauses Schützenstraße in Görlitz, auf daß sie schneller wachsen möge.
Familienfoto im Juni 1975, anläßlich des 80. Geburtstages von Konditormeister Willy Frenzel i.R. auf dem Dachgarten des Hauses Schützenstraße in Görlitz.
Willy Frenzel´´´ s Ehe blieb kinderlos und von den potentiellen Erben wollte keiner das Haus mit Grundstück übernehmen, da zu Zeiten der DDR der Erhalt eines solchen Gebäudes von Einzelpersonen kaum zu stemmen war. Er verpachtete seine Konditorei und das Kaffee noch an zwei weitere Konditormeister – Rothenburger und Handke, bis er sich im Juni 1978 dazu entschloß, per Verzichtserklärung sein Haus in der Schützenstraße der Stadt Görlitz zu vermachen.
Willy Frenzel erlitt im Oktober 1987 einen Schlaganfall, an dem er am 03.11.1987 verstarb.
Das Haus in der Schützenstraße in Görlitz wurde bis 2020 mehr oder weniger sich selbst überlassen, so daß der Zerfall seinen Lauf nahm. Nun aber sieht so aus, als würde es einen Investor geben, der dieses Gebäude zu neuem Leben und alter Schönheit erweckt. Bild unten – das Haus in der Schützenstraße in Görlitz 2021.
Die Begehung einer verlassenen Liegenschaft – einem lost place – ist faszinierend und aufregend. Alle Sinne arbeiten auf Hochtouren und sind darauf ausgerichtet, den Geschichten und Ereignissen die sich in den alten Gemäuern abgespielt haben auf die Spur zu kommen.
Oftmals sind es nur kleine Hinweise, Indizien wie Fliesenreste an der Wand und Gravuren in Fenstergläsern, die z.B. auf eine ehemalige Konditorei deuten lassen.
Daß ich mit meiner Vermutung im Falle des Hauses in der Schützenstraße in Görlitz richtig lag hätte ich nie erfahren, wenn mich nicht Herr W. Donner angeschrieben hätte, dem meine Bilder aufgefallen waren und er in ihnen die alte Wirkungs- und Lebensstätte seines verstorbenen Onkels, dem Konditormeister Willy Frenzel wiedererkannte.
Häuser werden von Menschen für Menschen erbaut – sie erfüllen die kalten Mauern mit Leben, bringen sie zum Schwingen. So wie der Konditormeister Willy Frenzel mit seiner Familie das Haus in der Görlitzer Schützenstraße.
Vielen Dank Herr W. Donner für die zur Verfügung gestellten Fotos! (AR 02/2022)
So wunderschön!!! Mir wird das Herz weich und groß beim Lesen dieser Zeilen. Erinnerungen werden wach…
Ich arbeite gelegentlich in Görlitz und fahre immer wieder mit dem Wunsch vorbei, noch einmal in diese Räumlichkeiten treten zu dürfen, auf dem Dachgarten die glitzernden Glassteine zu betrachten und dem Großonkel Willy abluchsen zu können… Er war ein wunderbarer Mensch mit viel Liebe für uns Kinder. Es gab immer eine leckere süße Überraschung. Für einen Konditormeister ja kein Problem. Legendär war eine Einbombe!!! Und irgendwo in der Familie gibt es noch Rezepte.
Ich danke sehr für diesen Beitrag. Willy Frenzel, aber auch seine Jenny würden sich bestimmt sehr darüber freuen.
Herzliche Grüße aus Dresden Ulrike Großer (ehem. Donner)
Ich bin der Bruder von Wolfram D. und der Vater von Ulrike Großer. Ich habe meinem Bruder auch einige Fotos zur Verfügung gestellt, die ich in Ihrem Artikel wiederfinde. Danke, für die Veröffentlichung. Das Thema Görlitz ist in unserer Familie ein Dauerbrenner. Ferien hießen für uns immer Görlitz in der Konditorei. Auch heute noch fahren wir regelmäßig in die wieder schön gewordene Stadt. Ich war das erste mal mit 5 Jahren Sommer 1944 in Görlitz. Von Krieg war da noch nichts zu spüren. Ich kann mich noch gut an die schönen eisernen Fußgängerbrücken über die Neiße erinnern, auch wie wir am großen Teich bei der Ruhmeshalle (Heute Polen) die Schwäne fütterten. Oft schaute ich mit meinem Bruder Hermann im Wohnzimmer vom Onkel Willy Frenzel aus dem Fenster und freuten uns, wenn eine Straßenbahn vorbei fuhr, und dies geschah sehr oft. Manchmal hatten diese zwei Anhänger, wenn z.B. in der Stadthalle eine Veranstaltung war. Die Straßenbahn fuhr über die Neißebrücke in den Ostteil von Görlitz, heute Zgorzelec. Nach dem Krieg wurde die Neiße Außengrenze mit Ackerstreifen, Stacheldraht und Beobachtungstürmen. Der Stadtpark wurde von der Roten Armee für viele Jahre besetzt… Sommer 1946 fuhren wir wieder nach Görlitz. Mutter brachte uns zum Zug in Chemnitz. Mit einem Schild um den Hals mit unseren Adressen und dem Zielbahnhof in G. wo uns unser Onkel abholte. Heute wäre das undenkbar! Bei der Busfahrt durch Chemnitz sahen wir in der Nähe des Küchwaldes die ersten Ruinen. Dann ging es durch eine beängstigende Trümmerwüste bis zum Hauptbahnhof. Uns Kinder gruselte es. Aber es wurde noch schlimmer bei der Fahrt durch Dresden. Im Hauptbahnhof gab es keine Glasscheiben mehr und das Eisenträgergerippe der Bahnhofshalle hing teilweise verbeult vom Dach herunter. Der Zug fuhr im Schritttempo durch eine noch viel größere Trümmerlandschaft als in Chemnitz und brauchte dazu fast eine Stunde. Dann kamen wir nach Görlitz in eine vollkommen intakte unzerstörte Stadt. Es war für uns wie das Paradies. Das Leben pulsierte, die vielen Straßenbahnen quitschten und wenn alle Glocken der Kirchen läuteten, fühlte man den Atem der Stadt. Wie drückten wir uns die Nasen an den Schaufenstern der prächtigen Berliner Straße platt. Damals vom Postplatz bis zum Bahnhof ein schönes Geschäft am anderen…
Doch dann Mitte der 70iger Jahre setzte der Verfall ein. Die Berliner Straße wurde immer trauriger und die Altstadt verfiehl. Nach 1990 verfiehl auch das ehemalige Haus von unserer Tante und unserem Onkel…
Heute freuen wir uns, dass vieles wieder schön geworden ist, und auch für die Schützenstraße 3 gibt es wieder Hoffnung. Bleibt nur zu wünschen, dass auch wieder mehr Arbeitsplätze entstehen, damit auch die Jugend wieder in Görlitz bleiben kann.
Es grüßt Sie herzlich
Dietrich Donner
Mein Name ist Detlev Hille und ich bin einer der Enkel von Uhrmachermeister Erich Schaaf und seiner Frau Margarete geb.Hoffmann. Bin am 8.April 1954 in Görlitz geboren und habe meine ersten Lebensjahre dort verbracht. Auch in den nächsten Jahren bis zum Tod meiner Großmutter im Jahr 1988 war ich viel und gern in Görlitz und heiratete dort auch am 8.8.1988. Herrn Frenzel und seine Frau habe ich noch in lebhafter Erinnerung. Am meisten immer noch die “ Kuchenrändel“, die immer abgeschnitten worden und uns Kindern zugute kamen.
Vielen Dank für diesen Bericht und die vielen Bilder, die auch meine Kindheit bestimmen.
Ich kenne Onkel Willys Konditorei nur aus den schwärmerischen Schilderungen meiner Onkel und meiner Mutter (Familie Donner), bin aber selber noch in den Genuss von Süßigkeiten aus dem Hause Frenzel gekommen …… bis heute gibt es in der Familie Kaffeekännchen mit der Gravur: Café Leifer…jetzt habe ich Bilder dazu. So schöne Aufnahmen lassen hoffen, dass ggf einige der alten Elemente und somit Teil der Geschichte erhalten werden können. Vielen Dank und Grüße aus Berlin
Cora Posselt