Zur Geschichte von Gentzrode: Nördlich von Neuruppin und östlich von Molchow (OT Neuruppin) ist Gentzrode abseits gängiger Zuwegung innerhalb eines parkähnlichen, jedoch völlig verwilderten Grundstücks gelegen. Seine Namensgebung ist – wie schon Theodor Fontane ca. 1856 bemängelte – nicht der Tatsache entsprechend. „Rode“ stand und steht immer noch für „durch Rodung entstandenes Land“ – Gentzrode jedoch ist auf einem Plateau, beziehungsweise am Abhang einer Sanddüne (Ruppiner Kahlenberge) entstanden. Ab 1855 erwarb Johann Christian Gentz (geboren 26.7.1794 in Neuruppin, gest. 4.10.1867 in Neuruppin) die „Kahlenberge“ und weitere Grundstücke, um einen Familiensitz zu gründen. Als Tuchmacher, Kaufmann und Torfstichbesitzer verdiente er genug Geld, um seinen Traum Wirklichkeit werden zu lassen. Johann Christian Gentz ließ landwirtschaftlich genutzte Flächen anlegen, Eichen, Birken und Buchen pflanzen, schuf ein Komplex von Wirtschaftsgebäuden und beschäftigte bis zu 116 Menschen vor Ort, bis er zwölf Jahre nach der Begründung 1867 starb. Sein jüngster Sohn Alexander übernahm die gut eingeführte Gutsanlage Gentzrode, ein Stadthaus samt Laden- und Bankgeschäft, den „Tempelgarten“ samt Tempel vorm Tempeltor in Neuruppin und ein Torfgeschäft im Luch (seinen älteren Bruder Wilhelm, den Maler, zahlte er aus).
Alexander führte fort, was sein Vater Johann Christian Gentz gestartet hatte, indem er begann „alles reicher auszugestalten“ (Zitat Theodor Fontane). So sollten 110.000 junge Eichen aus Holland in erster Reihe ein Waldgut aus Gentzrode machen. Er ließ sich von Fachleuten darüber beraten, welche außereuropäischen Bäume am besten geeignet wären, sich im märkischen Sande zu akklimatisieren, und kaufte für viele Taler aus New York, Kanada, Columbia, Tiflis und Sibirien Samenarten ein, die er in Gentzrode pflanzen ließ. Der Erfolg gab ihm Recht – nach nur wenigen Jahren konnte er aus seiner Baumschule heraus Pflanzbäume verkaufen, die ihren Platz auch auf in Berlin einmündenden Chausseen finden sollten.
Um den immer größer werdenden Ansprüchen der Baumschule, Land- und Viehwirtschaft gerecht zu werden, wurden immer mehr Arbeitskräfte herangezogen, die auch irgendwie untergebracht werden mußten. Theodor Fontane zählte (vermutlich in den 1870iger Jahren) eine ganze Straße mit einundzwanzig Häusern, jedes einzelne mit bis zu vier Familien belegt.
Die prosperierende Entwicklung der Gutsanlage Gentzrode und die damit einhergehende, tiefer werdende Verbundenheit der Familie Gentz zu ihrer „Lieblingsschöpfung“ ließ den Wunsch entstehen, aus dem bis dahin reinen Wirtschaftsbetrieb einen Familiensitz entstehen zu lassen – getreu der Vision des alten Gentz. Alexander Gentz berichtete, daß anfangs die Stube des Inspektors durchaus gemütlich und zweckmäßig war, um über tagesaktuelle Entwicklungen des Wirtschaftsbetriebes auf dem Laufenden gehalten zu werden. Als jedoch die Notwendigkeit entstand, einen an der Landstraße sich hinziehenden Speicher zu bauen beschloß er, diesem einen turmartigen Anbau zu geben, um das Straßenbild zu verbessern und präsentable Wohnräume zu gewinnen (vermutlich erfolgte der Bau des Kornspeichers mit Wohnturm zwischen den Jahren 1857 – 1864, von Theodor Fontane existiert eine Notizbuchzeichnung desselben aus dem Jahre 1864).
Die Erfolgsstory Gentzrode nahm weiter ihren Lauf – die Bäume gediehen noch über Erwarten hinaus, so daß viele tausend davon verkauft werden konnten. Es wurden angrenzende Wiesen zusätzlich erworben – und Ausfälle die eintraten kompensierte man durch hohe Torfsticherträge. Getragen durch wirtschaftlichen Erfolg und getrieben durch seinen Anspruch mit Gentzrode ein Gesamtkunstwerk zu schaffen fasste Alexander Gentz einen weiteren Entschluß, ein Schloß, einen Park und ein Mausoleum bauen zu lassen. Bereits 1874 legte er den Behörden einen ersten Plan zum Bau eines repräsentativen Herrenhauses vor, beauftragte aber parallel das Büro Martin Gropius und Heino Schmieden mit der Erstellung eines weiteren Entwurfs. Dieser gefiel ihm so gut, daß er den Bau des Herrenhauses in Auftrag gab.
Sein Bruder Wilhelm Gentz, der angesichts der hochtrabenden, kostenintensiven Pläne seines Bruders Alexander nur noch kopfschütteln konnte, berichtete von einem Gespräch mit dem beauftragten Architekten Heino Schmieden in dem er ihm mitteilte „ihm (Schmieden) sei angst und bange geworden bei den Ausgaben, die das alles verursacht habe“. Dennoch – das Schloß in Form eines repräsentativen Herrenhauses entstand (1877 – 1880) und auch eine durch eine künstliche Felsengrotte verschönerte Parkanlage wurde gebaut, die Richard Lucae bei seinem Besuch in Gentzrode als „ein Meisterwerk gärtnerischer Kunst“ erkannte. Zur Vollendung der gesamten Prachtschöpfung fehlte nur noch das Mausoleum.
Während der Verweildauer auf der Höhe seines Glücks – wirtschaftlich und künstlerisch – schrieb er die Geschichte der Entstehung Gentzrodes nieder, welche in dem Turmanbau zur Erinnerung für nachfolgende Generationen deponiert werden sollte:
„Im Namen Gottes! Johann Christian Gentz und ich, Alexander Gentz (Sohn Johann Christians), haben das auf den Kahlenbergen bei Neuruppin belegene Gut Gentzrode durch Ankauf von Ländereien im Jahre 1856 begründet und das Jahr drauf mit Herstellung der nötigen Wirtschaftsgebäude begonnen. In den vergoldeten Knopf, den ich dem Turm am Kornspeicher vor Jahren gegeben habe, soll diese Schrift niedergelegt werden und unseren Nachkommen über unsre bisherige Wirksamkeit auf Gentzrode Kunde geben.“So der Beginn, an den sich, am Schluß des Ganzen, folgende Worte reihn:“Die vorstehenden, für den Turmknopf am Kornspeicher bestimmten Aufzeichnungen habe ich in den Nächtestunden geschrieben, die mir der letzte Winter gewährte. Der erste Gedanke war, nur einfach in richtiger Reihenfolge niederzuschreiben, wie das alles nach und nach entstand. Im Schreiben selbst aber kam mir dann die Lust zu allerhand Exkursionen, die nun Schlaglichter warfen auf die Personen, mit deren Beschränktheit und Schlauheit ich all die Zeit über zu kämpfen hatte. Was ich im Luch an Torfwiesen erstand, das hatte nur den Zweck des Gelderwerbes, meine Tätigkeit in Gentzrode dagegen war meine Lust und Freude. Zugleich hab ich es ins Leben gerufen, um es zur Grundlage für den Wohlstand und Zusammenhalt einer Familie zu machen, denn der Grundbesitz bleibt das sicherste und stabilste Besitztum.“
Irgendwann zwischen den Jahren 1880 – 1890 kippte der wirtschaftliche Höhenflug von Alexander Gentz, nämlich als die Steinkohle Torf als Brennstoff ablöste und damit sein Kerngeschäft – das Torfgeschäft im Luch – wegbrach.
Im Mai 1880 wurde ein Konkursverwalter ernannt um „Verdunkelungen“ vorzubeugen und Alexander Gentz Verhaftung anzuleiern. Jedoch erst im Februar 1883 fanden die abschließenden Verhandlungen statt, mit dem Ergebnis der Verurteilung zu vier Monaten Gefängnis auf einfachen Bankrott. Alexander Gentz trat die Haftstrafe an und verließ das Gefängnis später als gebrochener Mann. Ein paar Jahre noch blieb er in Ruppin, bis er 1886 nach Stralsund wechselte, wo er mit dem geringen Vermögen seiner Frau ein Geschäft erwarb. Von schwerer Krankheit gezeichnet gab er im Kreise seiner Familie an, auf dem alten Ruppiner Kirchhof an der Seite seiner Eltern begraben werden zu wollen, und starb am 3. Juli 1888 an einem Blusturz. Seinem Willen wurde entsprochen, und seine Leiche nach Ruppin übergeführt. Da ruht er in Front der Familienbegräbnisstätte, deren Mittelwand die Inschrift trägt: „Ungunst und Wechsel der Zeiten zerstörte, was wir geschaffen. Die wir im Leben gekämpft, ruhen im Tode hier aus.“
Heute erinnert die Stadt Neuruppin auf dem Ehrenhain berühmter Neuruppiner an ihren ehemaligen Senator und Herzblut-Neuruppiner, den Kaufmann Alexander Gentz (Quellen: Wikipedia, Robert Rauh – Fontanes Ruppiner Land – 2019, Zeno.org, Naturstiftung Kranichland) (AR 07/2022)
Gentzrode im Zeitraffer:
Ab 1855 erwarb Johann Christian Gentz (geboren 26.7.1794 in Neuruppin, gest. 4.10.1869 in Neuruppin) die „Ruppiner Kahlenberge“ und weitere Grundstücke, um einen Familiensitz zu gründen.
Ca. 1856 kommt es zu der damals wenig zutreffenden Namensgebung „Gentzrode“, denn „Rode“ steht für „durch Rodung entstandenes Land“.
In den Jahren 1855 bis zum Tod von Christian Gentz 1867 wurden landwirtschaftlich genutzte Flächen geschaffen, eine Baumschule mit Eichen, Birken und Buchen angelegt und ein Komplex von Wirtschaftsgebäuden errichtet. Bis zu 116 Menschen wurden in dieser Zeit vor Ort beschäftigt.
Ab ca. 1868 übernahm sein jüngster Sohn Alexander Gentz (geb. 1826 – gest. 1888) die Geschäfte und somit auch Gentzrode.
Der Bau des Kornspeichers mit Wohnturm erfolgte vermutlich zwischen den Jahren 1857 – 1864, von Theodor Fontane existiert eine Notizbuchzeichnung desselben aus dem Jahre 1864.
In den 1870iger Jahren expandierte der Gutshof stark, Theodor Fontane zählte in dieser Zeit eine ganze Straße mit 21 Wohnhäusern, jedes Einzelne mit bis zu vier Familien belegt.
Ca. 1874 legte Alexander Gentz den Behörden einen ersten Plan zum Bau eines repräsentativen Herrenhauses vor, entschied sich dann aber für einen parallel gefertigten Entwurf des Büros Martin Gropius und Heino Schmieden und gab den Bau des Herrenhauses in Auftrag.
1877 – 1880 erfolgte der Bau des Herrenhauses und eine durch eine künstliche Felsengrotte verschönerte Parkanlage. Zur Vollendung der gesamten Prachtschöpfung fehlte nur noch ein Mausoleum.
Ab ca. 1880 brach das essentielle Kerngeschäft, das Torfgeschäft im Luch, weg (das fiel in die Zeit, in der die Steinkohle Torf als Brennstoff ablöste), was Alexander Gentz in den wirtschaftlichen Ruin führte.
Irgendwann in 1881 wurde Gentzrode das erste Mal verkauft.
1934, mindestens 5 weitere Besitzwechsel später, mußte die Bankierswitwe Rätzsch an die Stadt Neuruppin verkaufen, die das Gelände an die deutsche Wehrmacht weiter gab. Ein Schießplatz und Munitionslager wurden errichtet.
Ab 1945 übernahm bis zum Sommer 1991 die Rote Armee, genauer gesagt die 112. Garderaketenbrigade der 2. Panzerarmee der GSSD/WGT. Direkt in Gentzrode lagen die 1. und 2. Abteilung, sowie das Hauptquartier (Stab) der Raketenbrigade. In dieser Zeit wurden diverse Gebäude hinzugefügt – zwischen den Häusern entstanden ein Kino, zwei Plattenbauten, zwei Kasernen, ein Heizhaus, eine Kindertagesstätte, eine Sauna und ein Lebensmittelladen für bis zu 5.000 Menschen. 1993 wurde die Brigade nach Rußland zurückgezogen.
Mit dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland wechselte die Liegenschaft Gentzrode am 3. Oktober 1990 in das Staatseigentum der Bundesrepublik über.
Ab ca. 1993, mit dem Abzug der Roten Armee begann der langsame Verfall der historischen Gutsanlage und seinen Kerngebäuden, der bis heute – mehrere weitere Besitzwechsel später – stetig voranschreitet (Quellen: Wikipedia, DeWiki, kunsthistoriker.org, denkmalschutz.de, digitalcosmonaut.com) (AR 08/2022)
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